Vor ein paar Jahren waren meine Frau und ich für eine Woche in Rom, um Urlaub zu machen und uns die Stadt anzusehen. Wir lernten dort, die von uns so getauften „Rosenmänner“ kennen. Sie verkauften nicht nur Rosen, sondern auch Sonnenschirme, Tücher, Sonnenbrillen und verschiedene andere Souvenirs. Gerade die Rosenmänner hatten aber einen besonderen Trick, um ihre Ware an den Mann (für die Frau) zu bringen. Sie kamen auf dich zu und drückten dir eine Rose in die Hand mit den Worten,sie sei ein Geschenk für die hübsche Frau. Der Mann nahm die Rose an und wollte schon weiter gehen, da verlangte der Rosenmann dann Geld (ich glaube es waren fünf Euro) für die Rose. Sie sei zwar ein Geschenk für die Frau, der Mann müsse diese jedoch selbstverständlich bezahlen. Versuche, die Rose wieder zurückzugeben, waren sehr schwer und scheiterten häufig am Willen und der Überzeugungskraft der Männer. Die Rosenmänner machten sodann auch gleich ein zweites Angebot. Für nur wenige Euro mehr könne man doch nun gleich eine weitere Rose erstehen. Auch war es für den Betroffenen schwer in Gegenwart seiner Frau die Rose nicht annehmen zu wollen. Es könnte eine Aussage über die Beziehung zur Frau sein. Die einzige Möglichkeit mit diesen Rosenmännern umzugehen war es, sie einfach zu akzeptieren, dass sie da waren, aber immer Abstand zu halten und sich nicht von ihnen einfangen zu lassen. Man konnte ihnen nicht aus dem Weg gehen, hieße das doch, viele bekannte Plätze in Rom nicht sehen und besuchen zu können, da diese Rosenmänner sich selbstverständlich an den bekannten und berühmten Plätzen mit den vielen Touristen aufhielten.
Unsere Gedanken als ungewollte Rosen
Vergleichen können wir diese Rosenmänner nun mit unseren Gedanken, gerade den unangenehmen. Diese halten sich auch gerne an den beliebten und bekannten Plätzen wie Geldsorgen, Gesundheit, Beliebtheit und Familie auf. Dort lauern unsere „Rosenverkäufer-Gedanken“ und versuchen uns diese unangenehmen Gedanken zu verkaufen. Sie kommen einfach auf uns zu und drücken uns einen Gedanken, den wir eigentlich gar nicht haben wollen, in die Hand und verwickeln uns in Verhandlungen. Was nun jeder mit dem realen Rosenverkäufer machen würde, ist einfach weitergehen und sich nicht auf die Verhandlungen einlassen. Ab und an schaffen wir das nicht ganz und kaufen doch eine Rose, manchmal ist diese Rose sogar ganz hilfreich und wir nehmen diese mit Absicht an. Es passt dann einfach in die Situation und wir sind bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Häufig aber wollen wir diese Rosen nicht. Wir wissen, dass sie überteuert sind und auch nur maximal bis zum nächsten Tag, wenn überhaupt, frisch aussehen.
Genau so geht es uns mit unseren „Rosen-Gedanken“. Sie werden uns in die Hand gedrückt und manchmal nehmen wir sie auch dankbar an. Sie sind dann in dem Moment wichtig für uns. Der Kontext passt. Wir sind bereit uns mit den unangenehmen Gedanken auseinander zu setzen und sie sind in diesem Moment dann auch hilfreich für uns.
Diskutieren und Verhandeln bringt nichts
Häufig aber werden uns diese unangenehmen Gedanken in die Hand gedrückt, ohne dass wir diese haben wollen oder dass wir sie in dem Moment als hilfreich empfinden. Den Fehler den wir dann aber häufig machen ist, dass wir nicht wie beim realen Rosenverkäufer einfach weitergehen und diesen ignorieren, oder vielleicht eine Rose dann kaufen, unseren „Verlust“ realisieren und es bei einer belassen. Wir machen etwas anderes mit unserem innerem „Gedanken-Rosen-Verkäufer“: Wir fangen an mit ihm zu verhandeln und zu diskutieren. Wir verhandeln über den „Preis“ (…das wird doch alles nicht so schlimm…), wir verhandeln über die „Anwesenheit“ (…wie kann ich es schaffen, dass Du mich in Ruhe lässt…, ich versuch nicht an Dich zu denken…), wir verhandeln über die „Menge“ (…das mache ich noch und dann lässt Du mich aber in Ruhe…). Leider ist dieses Verhandeln für unseren „Gedanken-Rosen-Verkäufer“ immer wieder ein „Erfolg“. Es ist ein Zeichen, dass ich bereit bin, mich mit ihm zu beschäftigen und dieses nutzt er. Er kommt immer wieder. Mitunter lässt er sich für kurze Zeit vertreiben, um dann mit einem neuen Angebot wieder zu kommen. Je mehr wir uns mit ihm beschäftigen, desto häufiger kommt er wieder. Je mehr Taktiken und Strategien wir uns ausdenken, den „Gedanken-Rosen-Verkäufer“ loszuwerden, desto häufiger wird er wiederkommen. Wir versuchen immer Neues. Wir machen, was er will, weil wir denken, er lasse uns dann irgendwann in Ruhe. Wir versuchen zu kämpfen und versuchen die Gedanken zu verdrängen. Oder wir resignieren und nehmen dem „Gedanken-Rosen-Verkäufer“ dann alles ab, was er uns anschleppt. Wir glauben, wir müssen den „Gedanken-Rosen-Verkäufer“ aus unserem Leben löschen. Genauso wie einige glauben, sie könnten nur dann ein schönes Bild vom der Spanischen Treppe in Rom machen, wenn alle Rosenmänner aus dem Bild sind. Aber das wird nicht funktionieren. Wir können nicht alle Rosenmänner aus dem Bild bekommen. Wir können nur akzeptieren, dass sie da sind und wir sollten uns nicht auf eine Verhandlung mit ihnen einlassen, wenn wir nicht der Meinung sind, dass es gerade zu unseren Zielen und Werten passt, eine Rose zu kaufen.
Ist der Gedanke („die Rose“) gerade hilfreich?
Die Frage, die wir uns immer wieder stellen sollten ist, ob es gerade jetzt für unser Leben hilfreich ist, eine Rose zu kaufen oder einen Gedanken anzunehmen und ihn zu verfolgen. Wenn die Rose gerade zu unseren Zielen passt (wir wollen z.B. romantisch sein und unsere Frau mit einer Rose in der Hand auf der Spanischen Treppe fotografieren), dann passt der Kontakt mit dem Rosenmann auch zu unseren Zielen. Wenn wir gerade einen immer größer werdenden dunklen Fleck auf unserer Haut entdeckt haben, dann passt der Kontakt mit dem Gedanken an Hautkrebs und die Beschäftigung mit konkreten Maßnahmen, wie Arztbesuche, in unser Leben, auch wenn diese Gedanken unangenehm sind. Eine „Nicht-Beschäftigung“ würde zu größeren Problemen führen als der Kontakt. Wenn wir uns jedoch, ohne konkreten Anhalt für derartige Probleme, immer wieder mit den „Gedanken-Rosen“ wie Hautkrebs, Gehirntumor, finanzieller Ruin, Katastrophenabwendung, Prüfungsversagen, Angst vor peinlichen Ereignissen in der Öffentlichkeit und so weiter und immer wieder mit der Vermeidung dieser Probleme im Voraus beschäftigen, dann öffnen wir den „Gedanken-Rosen-Verkäufern“ Tür und Tor. Dann fangen wir an, mit ihnen zu diskutieren und zu verhandeln. Dann können wir uns aber nicht mehr den schönen Platz anschauen oder die Aussicht genießen. Wenn wir in den Verhandlungen mit dem Rosenverkäufer feststecken, dann nehmen wir nicht mehr an unserem Leben teil. Dann verpassen wir sehr viel und dass macht uns nur noch mehr Angst oder unzufriedener, was den „Gedanken-Rosen-Verkäufer“ dazu veranlasst, immer wieder zu kommen, da er ein „Opfer“ gefunden hat.
Was können wir tun?
Was ist aber nun das Ziel? Wir müssen lernen, Abstand zu unserem inneren „Gedanken-Rosen-Verkäufer“ zu finden. Wir müssen lernen, zu akzeptieren, dass er immer wieder im Bild ist und dass wir ihn nicht aus unserem „Lebens-Bild“ entfernen können. Wir müssen lernen, ihn einfach stehen zu lassen, wenn wir ihn nicht brauchen. Wir dürfen nicht versuchen ihn zu entfernen, denn dann verwickeln wir uns in einen Kampf, welcher uns von unserem eigenen Leben abhält. Wenn wir aber Akzeptanz ihm gegenüber lernen, dann gewinnen wir die Freiheit mit ihm zu leben. Auch mit seinen Versuchen, Aufmerksamkeit zu bekommen. Und wir müssen lernen zu erkennen, wann wir ihm besser doch zuhören, weil seine „Gedanken-Rosen“ gerade hilfreich sind und das Ignorieren zu einem größeren Schaden führen würde als die Beschäftigung mit ihm. Das sind die Strategien unseres Lebens: Der Rosenverkäufer ist hilfreich, wenn er uns unseren Zielen näher bringt. Ansonsten ist ein Ignorieren ratsam, weil uns das innere Diskutieren sonst vom eigentlichen Leben abhält.