...über Psychotherapie und Sonstiges

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Freitag, 25. November 2011

Warum es so schwer ist glücklich zu sein

„Lass Dich nicht abmurcksen!“ (Steinzeitmensch, anno…?)

Unser Geist hat sich über viele tausend Jahre der Evolution entwickelt. Er besitzt die erstaunlichen Fähigkeiten zu kommunizieren, zu kreieren und zu analysieren. Er hat sich jedoch nicht entwickelt, damit wir uns „gut“ fühlen, sondern damit wir „überleben“. Der Geist hat sich nicht entwickelt, damit wir Gedichte schreiben oder Witze erzählen oder „Ich liebe Dich“ sagen können. In der Zeit als Jäger und Sammler bestand die Welt aus lauter Gefahren  und wir mussten unsere grundlegendsten Bedürfnisse befriedigen um überleben zu können (essen, trinken, schlafen, Sex). Diese Bedürfnisse waren aber auch nur grundlegend, wenn der Mensch überlebte und so entstand die Maxime „Lass Dich nicht abmurksen“. Unsere Vorfahren wurden immer besser darin, Gefahren vorherzusehen und diesen aus dem Weg zu gehen. Nur die Menschen, welche diese Fähigkeit hatten, konnten sich auch fortpflanzen und somit wurde diese Eigenschaft immer weiter verfeinert, ausgebaut und weitergegeben. 

Wir sind gedanklich ständig unterwegs und auf der Hut

Der menschliche Geist arbeitet auch heute nach Hunderttausenden von Jahren immer noch nach diesem Schema. Wir sind ständig auf der Hut und schätzen und beurteilen alles, was uns begegnet. Wir kategorisieren in gut und schlecht, gefährlich und ungefährlich, schädlich oder nützlich. Doch die Gefahren sind andere geworden und auch weit komplexer. Somit müssen wir immer mehr Zeit damit verbringen zu beurteilen und zu analysieren. Es bestehen Gefahren wie Arbeitsplatzverlust, Ablehnung von Freunden oder Verwandten, Blamage in der Öffentlichkeit, Krankheiten verschiedenster Art, Unfallgefahren, finanzieller Ruin und vieles mehr. Gerade der soziale Bereich macht uns zu schaffen. Schon in der Frühzeit war der Verstoß aus der „Herde“ oder dem „Clan“ schnell ein Todesurteil. Auch heute tun wir das noch und es klingt uns sehr vertraut, wenn wir darüber nachdenken, dass auch unser moderner Geist das noch andauernd tut. Wir analysieren auch heute noch ständig: „Passe ich da rein?“, „Tue ich das Richtige?“, „ Trage ich genügend bei?“, „Bin ich so gut wie die anderen?“ Wir versuchen alles zu vermeiden, was uns Ablehnung einhandeln könnte. Wir suchen immer nach Möglichkeiten uns zu verbessern und in die Gesellschaft zu passen. Dafür wenden wir unheimlich viel Energie auf. Und wenn wir einer Sache nicht gerecht werden, dann machen wir uns Vorwürfe. In diesem Zusammenhang können wir mit der Kritik gegen uns selbst sehr hart werden, sehr viel härter als so manch anderer uns beurteilen würde. 

Wir sind schlimmer als Dieter Bohlen und Heidi Klum zusammen

Verschärfend kommt noch hinzu, dass die Vergleiche viele Tausend Jahre lang immer nur im eigenen Clan stattfanden. Nur die unmittelbare Umgebung zeigte uns, wie wir uns verhalten sollten. Heute haben wir die Möglichkeit quasi sofort mit der ganzen Welt in Kontakt treten zu können. Das führt dazu, dass diese Vergleiche immer weiträumiger und immer komplexer werden. Erschwerend kommt noch hinzu, dass diese Vergleiche von vielen Menschen auch noch genutzt werden um gut davon zu leben. Die Wirtschaft nutzt den sozialen Vergleich geschickt in ihrer Werbung um uns zu zeigen, wie wir sein sollten und was wir dafür tun können um nicht aus dem Clan verstoßen zu werden. Gerade in der Werbung wird immer wieder unterschwellig Angst erzeugt, damit wir uns darum kümmern, mit Hilfe der angebotenen Produkte, auch weiterhin „zum Clan“ zu gehören. 
Unser Geist hat es inzwischen geschafft, ein Idealbild von uns selber zu entwerfen, mit dem wir uns immer wieder vergleichen. Diese „Jury“ ist in diesem Fall härter als Dieter Bohlen und Heidi Klum zusammen. Wir können fast gar nicht gegen unsere innere Jury bestehen. 
Für jeden Steinzeitmenschen galt der Ehrgeiz immer besser zu werden. Wer die besseren Waffen hatte, konnte besser jagen. Wer besser jagen konnte, hatte mehr zu essen und mehr Vorräte. Wer mehr Vorräte hatte, konnte länger leben und sich somit besser fortpflanzen. Auch heute noch streben wir nach dem immer „besser und mehr“. Im Laufe der Evolution wurde unser Gehirn also so vernetzt, dass wir darauf angelegt sind psychisch zu leiden. Wenn der Mensch zufrieden gewesen wäre, würden wir heute noch in Höhlen wohnen. Da wir das mit unserer jetzigen Situation aber nie wirklich sind, streben wir immer nach Verbesserung, was uns viele Entwicklungen, Verbesserungen und Erleichterungen in unserem Leben eingebracht hat. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass wir ständig vergleichen, einschätzen kritisieren und uns darauf fokussieren, woran es uns mangelt und womit wir unzufrieden sind. Wir haben gelernt uns die schrecklichsten Szenarios auszumalen, von denen die meisten niemals eintreten werden. Deshalb fällt es dem Menschen so schwer glücklich zu sein.


(Anmerkung: Ein Großteil dieses Textes stammt aus dem Buch "Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei" von Russ Harris, einem Mitbegründer der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT))

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